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Zum Gedenktag des Genozids in Srebrenica

Zum Gedenktag des Genozids in Srebrenica Zum Gedenktag des Genozids in Srebrenica

München, 09.07.2023

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Sehr geehrte Münchnerinnen und Münchner, liebe Bosniaken und Bosniakinnen, bosnische Männer und Frauen, gute und edle Menschen, ich bedanke mich bei Ihnen allen. Wir kamen zusammen, um uns und andere an den Genozid in Srebrenica zu erinnern. Wir haben uns nicht nur versammelt, um uns an den Genozid in Srebrenica zu erinnern, denn das Erinnern an sich bedeutet, sich an ein Ereignis aus der Vergangenheit zu erinnern, das stattgefunden hat und als solches endete. Nein – es endete nicht und es ist nicht nur eine Versammlung.
 
Unsere Versammlung dient dem Gebet und dem Abschied von dreißig unschuldigen Opfern des Genozids von Srebrenica, die am Dienstag in Potočari mit ihrem Vor- und Nachnamen beigesetzt werden, der jüngste von ihnen ist Elvir Salčinović, der damals fünfzehn Jahre alt war, in der Gegend von Baljkovica getötet und aus einem Massengrab Lipje bei Zvornikexhumiert wurde. Elvir wurde 2011 exhumiert, doch die Familie hatte bis zu diesem Jahr nicht die Kraft, Elvir zu begraben. Dieses Jahr wird er Frieden mit seinem Vater Turabija und seinem Bruder Almir finden, die zuvor begraben wurden.

Drei weitere Minderjährige werden am Dienstag ihre Ruhe finden…
 
Es handelt sich um die sechzehnjährigen Jungen Mustafa Mekanić und Esed Klempić. Mustafa wurde 2001 aus dem Massengrab Ravnica-Glogova exhumiert, während die sterblichen Überreste von Esed 2001 im Massengrab Kamenicagefunden wurden.
Semir Đozić war zum Zeitpunkt seines Todes 17 Jahre alt. Er wurde 2002 aus einem der zahlreichen Massengräber exhumiert, die in Kamenica bei Zvornik entdeckt wurden.
 
Das älteste Opfer, das seine Ruhe findet, ist Nezir Muminović, der zum Zeitpunkt seiner Ermordung 65 Jahre alt war. Er verschwand im Sommer 1995 in der Gegend von Zvornik und wurde 2007 in der Gegend von Kamenica exhumiert.
 
Heute sind viele von uns hier, die fünfzehnjährige Söhne und Töchter haben, und viele von uns haben 65-jährige Eltern…
 
Nach Zustimmung der Familienangehörigen werden in diesem Jahr 71 Opfer ein weiteres Mal exhumiert. Daher werden 71 Gräber erneut geöffnet.
Seit dreißig Jahren werden die Gräber der Märtyrer von Srebrenica geöffnet und geschlossen, da ihre Knochen in ganz Podrinje verstreut sind. Wenn also einer fehlt, werden sie erneut geöffnet und vervollständigt.
 
Können wir uns vorstellen, was es für Familien bedeutet, dreißig Jahre lang die Leichen ihrer Lieben zu sammeln???
 
Und wir als Volk veranstalten dreißig Jahre nach der Vertreibung Beerdigungen für unsere Lieben. Kann man heute in der Welt ein ähnliches Beispiel finden? Ein Beispiel, wo Beerdigungen dreißig Jahre dauern, und Gott weiß, wie lange sie dauern werden.
 
Der Genozid in Srebrenica wurde gerichtlich festgestellt und dokumentiert. Das „Srebrenica-Szenario“ war für jede Stadt und jedes Dorf in Bosnien vorgesehen. Nur dank des stolzen Widerstands der bosnischen Armee ist es nicht dazu gekommen. Der zweite Genozid, blieb ohne Urteil, wurde aber dokumentiert, ereignete sich in Prijedor und im Sana-Tal. Am 20. Juli wird diesem Genozid gedacht und dessen Schrecken in Erinnerung gerufen.
 
Diese beiden Genozide übermitteln uns jeweils unterschiedliche Botschaften. Zwei dieser Botschaften stehen im Mittelpunkt dieser beiden Genozide. In Prijedor und im Sana-Tal war eine der Ursachen unsere schlechte Organisation und mangelnde Vorbereitung. Srebrenica lehrt uns, dass wir uns auf uns selbst verlassen müssen, auf unsere Organisation und auf unsere Gemeinschaft, um zu überleben.
 
Wir müssen und sollten Freunde auf der Welt suchen und wir haben sie. Aber unsere Freunde werden umso mehr bei uns sein, je stärker und organisierter wir sind. Srebrenica und Prijedor sind nicht die ersten Opfer- und Hinrichtungsorte von Bosniaken. Es ist die Politik des Leidens, die seit 1802 aus demselben Zentrum kommt. Organisiert, geplant und systematisch.
Aber zum ersten Mal in diesen zweihundert Jahren schreiben und dokumentieren wir unser Leiden. Wir erinnern und listen die Vor- und Nachnamen der Opfer auf. Zum ersten Mal in diesen zweihundert Jahren zeigen wir als Volk, woher die Genozide herrühren, wo sie geplant wurden und wer sie an unserem Volk verübt hat.
 
Zum ersten Mal, öffentlich und offen, und nicht mit Geflüster und in Heimlichkeit, listen wir die Namen der Mörder und Kriminellen auf, die die Verbrechen begangen haben. Nicht nur in der Heimat, sondern auch in allen Metropolen der Welt, heute in der Stadt München, gestern in anderen Großstädten Deutschlands.
 
Wir sind dem deutschen Volk dankbar, dass es Hunderttausende unserer Bürger aufgenommen und betreut hat. Aber auch als wertvolle und loyale Bürger dieses Landes, das das Konzept von Genozid und Leid versteht, erwarten wir, dass Deutschland den Leugnern des Genozids stärker und entschiedener entgegentritt. Gegen diejenigen, die daran beteiligt waren, und heute noch öffentlich wiederholen und sagen, dass sie es wieder tun würden. Gegen diejenigen, die mit ihren politischen Schritten neue Konflikte und Leid ankündigen.
 
Wir stehen mit diesem Land auf der gleichen Seite, auf der Seite des Guten, denn wir kämpfen auf unsere eigene Weise gegen das Böse und den Hass. Wir kämpfen für Zusammenleben und Verständnis.
 
Wir bitten Gott, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, damit sich der Genozid, das Leid und die Verbrechen von Srebrenica, Prijedor, Dachau und Auschwitz nirgendwo und an niemandem wiederholen.

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