

Wir erinnern uns an die Julitage als Zeit des Widerstands gegen den serbisch-tschetnischen Aggressor in den 1990-er, aber auch als Zeit des Genozids an den Bosniaken, der sich nahezu während der gesamten Aggression gegen unser Heimatland vollzog.
Der Genozid begann gleich zu Beginn des Krieges in Prijedor, Sanski Most, Bihać, Biljani und erreichte 1995 seinen Höhepunkt in Srebrenica.
In Biljani, unweit von Ključ, wurden an nur einem Tag 260 Bosniaken ermordet.
Der älteste unter ihnen war Bećo Ćehić, 85 Jahre alt, und das jüngste Opfer war Amila Džaferagić, gerade einmal vier Monate alt. Sie starb mit einem Fläschchen in der Hand im Arm ihrer Mutter. Es wurde festgestellt, dass sie aus nächster Nähe mit einer Pistole erschossen wurde. In jenen Tagen wurden im Ort Botonjići 57 Einwohner getötet. Elf von ihnen – alt und gebrechlich – wurden von den Tschetniks in einer nahegelegenen Scheune verbrannt. Behar und Pašo Botonjić, zwei unschuldige alte Menschen, wurden in ihrem eigenen Haus verbrannt.
In der Bezdana-Höhle bei Hrgar nahe Bihać wurden die sterblichen Überreste von 84 und in der Tihotina-Höhle von 53 getöteten Bosniaken aus dem Ljutocka-Tal und Ripac gefunden. Sie wurden lebendig hineingeworfen und anschließend mit Handgranaten getötet. Ein Vater und sein Sohn, zwei Brüder, wurden gefesselt gemeinsam gefunden. Auch ein dreijähriges Mädchen wurde in einer Tiefe von 80 Metern entdeckt. Aus diesem Grund steht ein Vers aus dem Koran auf einer Gedenktafel nahe der Bezdana-Höhle: „Und wenn das lebendig begrabene Mädchen gefragt wird, wegen welcher Schuld sie getötet wurde?“ Diese Frage bleibt offen bis zum Jüngsten Tag: Womit hatte ein dreijähriges Mädchen solch eine grausame Tötung verdient? Was hatte Amila Džaferagić, ein vier Monate altes Mädchen, verbrochen?
Vor 34 Jahren, von Mai bis August 1992, wurden alle Ortschaften im Bezirk Prijedor, in denen Bosniaken lebten, besetzt, weitgehend zerstört und geplündert, die Bevölkerung vertrieben und viele Zivilisten getötet.
Es ist bekannt, dass Juden im Zweiten Weltkrieg von den Faschisten gekennzeichnet wurden. Fünf Jahrzehnte später geschah das Gleiche mit den Bosniaken. In Prijedor befahlen serbische Militär- und Polizeieinheiten den Bosniaken und Kroaten, weiße Armbinden als Erkennungszeichen zu tragen. Nach dem Muster „Kennzeichnen und töten“ töteten serbische Kräfte 3.176 Zivilisten – Männer, Frauen und Kinder. Ermordete Bosniaken wurden in Einzel-, Gemeinschafts- und Massengräber geworfen.
Die sterblichen Überreste der Getöteten aus Prijedor wurden bislang an 501 Orten gefunden, in 73 (primären und sekundären) Massengräbern, in zehn Gemeinden: Banja Luka, Bosanski Brod, Belgrad, Bosanska Dubica, Bosanska Gradiška, Bosanska Krupa, Bosanski Novi, Hrvatska Kostajnica, Oštra Luka, Sarajevo, Sanski Most und Skender Vakuf, sowie in drei Ländern: Bosnien und Herzegowina, der Republik Kroatien und der Republik Serbien.
Über 260 Frauen und 102 Kinder wurden getötet. In der Gemeinde Prijedor wurde das größte primäre Massengrab Tomašica entdeckt, außerdem Stari Kevljani, Jakarina Kosa, Korićanske Stijene, die Höhle Hrastova Glavica, Redak und andere. Über 32.000 Prijedorer wurden rechtswidrig in 58 Konzentrationslager interniert. Sie waren in Lagern wie Omarska, Keraterm, Trnopolje, Manjača, Batković und anderen eingesperrt.
Sie wurden grausam und unmenschlich behandelt, was Folter, physische und psychische Misshandlungen, Vergewaltigungen, unmenschliche Lebensbedingungen, Zwangsarbeit, katastrophale Unterbringung, mangelhafte Ernährung, Wasserversorgung, medizinische Hilfe und Hygiene einschloss. Die meisten Überlebenden leiden bis heute an den Folgen. Auch Minderjährige, Alte, Kranke, psychisch Erkrankte, Verwundete und Verletzte waren in diesen Lagern eingesperrt.
Laut verlässlichen Angaben durchliefen allein das Konzentrationslager Trnopolje rund 23.000 bosnische Zivilisten. In den Todeslagern von Prijedor (Trnopolje, Keraterm, Omarska) wurden etwa 1.000 Frauen, Kinder und Männer ermordet. In diesen Lagern und an anderen Orten wurden zahlreiche bosnische Frauen vergewaltigt und sexuell missbraucht, dokumentiert sind auch Fälle sexueller Gewalt gegen Männer.
Nach UN-Angaben vertrieben serbische Einheiten gewaltsam mehr als 52.811 Bosniaken und Kroaten aus der Gemeinde Prijedor. Eigentum wurde beschlagnahmt, geplündert und rücksichtslos zerstört – während der Machtübernahme, der Verhaftungen und Inhaftierungen, sowie während und nach Deportationen und Zwangsumsiedlungen.
In Prijedor wurden ein dreimonatiges Baby, Velid Softić, und eine 95-jährige Frau, Zlata Krkić, getötet. Es wurden 32 Moscheen und 10 Gebetsstätten (mesdžide) zerstört, sowie etwa 1.000 private Gebäude. Imame wurden ermordet oder in Lager verschleppt. Die sterblichen Überreste der getöteten Einwohner von Kozarac wurden an 119 Orten entdeckt. Salih Kadirić wurde in einem Schacht gefunden. Der Schachtdeckel wurde auf ihn gedrückt, bis sein Schädel zertrümmert war. Er starb unter großen Qualen.
Im Dorf Čarakovo wurden 12 Bosniaken getötet, darunter auch Sulejman-ef. Dizdarević. Sie wurden in Moscheeteppiche gewickelt und verbrannt. Der örtliche Priester und seine Eltern wurden ebenfalls ermordet, ihre Leichen in einen Brunnen geworfen. Menschen wurden vor den Augen ihrer Liebsten getötet. Die Leichen wurden exhumiert und dadurch erneut entwürdigt. Die Überreste des 14-jährigen Jungen Senad Beganović wurden in vier Massengräbern gefunden. Ein solches Schicksal erlitten viele der bosnischen Opfer.
In Bosnien und Herzegowina existierten über 650 Todeslager, in denen Gefangene auf grausamste Weise gefoltert und ermordet wurden. Aufnahmen aus den Lagern Omarska und Trnopolje wurden am 6. August 1992 veröffentlicht. Der berühmte amerikanische Journalist Roy Gutman schrieb mehrfach über sie. Auf einem Stein im Lager Kamenica bei Drvar steht eingraviert: „Wer das überlebt, wird hundert Jahre leben.“ Doch niemand überlebte.
Am 12. April 1993, bei der Einweihung des Holocaust-Museums, forderte der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel öffentlich den US-Präsidenten auf, das Töten in Bosnien und Herzegowina zu stoppen. Es wurde nicht gestoppt. Es folgte ein Genozid am unschuldigen bosniakischen Volk, wie er in den letzten Jahrzehnten beispiellos war.
Zurück zum Archiv